Liebe Verwandte,
Morgen wäre Hans Richter, unser Vater, Großvater, Urgroßvater und Onkel,
100 Jahre alt geworden.
Alle
sind aus diesem Anlass zu unserem ersten
Familientreffen seit 1953 gekommen.
Das
ist großartig.
Vor
wenigen Jahren verliefen unsere Wege noch getrennt.
Brüder
Hans Richter und Heinz
Richter hier in Cunnersdorf zusammengefunden.
Welche
Verbindungslinien zwischen uns können wir erkennen?
Martina Zumklei und ich sind in der Cunnersdorfer
Dorfkirche getauft worden.
und Elsa Johanna noch in lebhafter Erinnerung. Der Ohrensessel von Großvater Max
bleibt
im Gedächtnis ebenso haften, wie die lange Pfeife in
der er selbst angebauten Tabak
rauchte.
Der Hof als naturnahe Spielfläche bleibt ebenso
präsent,
wie die Mitarbeiter des
damaligen
Landwirtschaftsbetriebes und die Nachbarskinder.
Als
mir vor 10 Jahren mein Vater die Verantwortung für die
Flächen und die Hofgebäude
übergab,
waren auch einige Ordner dabei. Viel Belangloses
aber auch manche
Dokumente,
die die Schwierigkeiten der Landwirtschaft in den
dreißiger, vierziger und
fünfziger
Jahre widerspiegeln.
Obwohl der Richtersche Hof - abgesehen vom Rittergut - der größte in Cunnersdorf war,
war die wirtschaftliche Lage oft prekär. Immer wieder war die nächste Ernte bereits verpfändet
oder es musste um Kreditnachlass gebeten
werden.
Sympathien vieler Großbauern, auch des Großvaters Max, mit den Machthabern des Dritten
Reiches wurden am Ende mit Blut teuer bezahlt. Die Söhne der
Landbevölkerung galten seit
jeher als
willkommenes Kanonenfutter für expansionistische
Kriegsabenteuer. Zu hundert-
tausenden
verbluteten sie in Schützengräben, in
Angriffswellen und auf Rückzugs-
märschen.
Wir
haben heute am Familiengrab unseres Max Johannes
gedacht, der 1944 in Rumänien
gefallen
ist, und gedenken dabei immer auch ALLER,
die durch das barbarische Nazi-
Regime
ihr Leben verloren haben.
Die
schwierige Nachkriegszeit, die Systemauseinadersetzung
zwischen Ost und West
haben
die Familie an neue Orte verstreut – teils weit
entfernt von der alten Heimat. Einer
dieser
Orte ist Wesel am Niederrhein. Heinz Ludwig Richter
hat dort mit seiner Frau
Sigrid eine neue Heimat gefunden. Ganz herzliche Grüße soll ich von ihm an unser heutiges
Treffen überbringen.
Den
alten Verbindungen der Familie zu Cunnersdorf, den
Erinnerungen an früher
wollen wir heute neue Verbindungen hinzufügen. Wir sind eine Familie, aber eine Familie,
Richter/Götzelt/Zumklei.
Darauf erhebe ich das Glas und wünsche uns einen tollen Tag.
Text der Ansprache von Joachim Richter, 3. April 2011