Der Tuchfabrikant, Stadtrat und
Ehrenbürger Emil Oskar Müller, Kamenz
Mit Ludowicus Vleming (Ludwig Fläming) wird 1281 erstmals der Zuzug von Wollwebern aus Flandern nach Bautzen bezeugt1).
Damit beginnt die Geschichte des Tuchmacherhandwerks in der
westlichen Oberlausitz. In Kamenz ist das Tuchmachergewerbe seit 1350 heimisch2).
Das Aufblühen der Stadt im 19. Jahrhundert ist eng mit der
Gründung von Tuchfabriken und der Schaffung von
Arbeitsplätzen in der Tuchindustrie verknüpft.
Emil Oskar
Müller ist Nachkomme der alten Kamenzer Tuchmacherfamilie
Müller, die auf den Kamenzer Bürger und Tuchknappen Christian
Müller (Stadtrechte am 19. September 1738) und dessen Sohn,
Tuchmachermeister
Johann Christian Müller, zurückgeht. Bis zum 31. 3.
1900
führte Emil Oskar als geschäftsführender
Gesellschafter die
Kamenzer Tuchfabrik Johann Traugott Müller und Comp., die sein
Vater Johann Traugott Müller 1856 gegründet hatte. Geboren am
14. Dezember 1843 in
Kamenz, war er nicht nur geschäftlich sehr erfolgreich,
er engagierte sich auch in vielfältiger Weise über
mehr als
30 Jahre
als Stadtrat sowie als Stellvertreter des Bürgermeisters
für
das Wohl der
Stadt. Eine besondere Ehrung war die Verleihung der
Ehrenbürgerwürde
seiner Heimatstadt Kamenz 1916. Im
Jahr 1920 fasste der Stadtrat den Beschluss zu seinen Ehren der
Straße
vom Markt bis zur Königsbrücker Straße den
Namen "Oskar-Müller-Straße" zu
geben.
Gemeinsam
mit seiner Ehefrau Therese Erdmute Auguste geb. Baase hatte er sechs
Kinder: Adele
verh. Krah (links), Rosa verh. Hesse (2. von rechts), Hedwig verh.
Heidsieck (3. von links), Georg (2. von links), Albert (3. von rechts) und
Kurt (rechts).
Stationen Emil Oskar
Müller
Geboren am 14. Dezember
1843 in Kamenz
Eintritt als Lehrling in die 1856 gegründete Firma
seines Vaters, Kamenzer "Tuchfabrik Johann Traugott Müller und
Comp."
Übernahme der
Geschäfte als geschäftsführender
Gesellschafter bis März 1900
Gründung der "Tuchfabrik Oskar Müller" in Kamenz im Jahr 1866, Heirat mit Thererse Erdmute Auguste geb. Baase
Mitbegründer der
Fachgewerbeschule für Tuchmacher
Mitbegründer des
Mobiliarbrandversicherungsvereins
Vorsteher des
Gewerbevereins Kamenz
Direktor der
Braugenossenschaft Kamenz
Gründer einer wohltätigen Stiftung für bedürftige Tuchknappen
Wahl zum Stadtrat (Mitglied
über einen Zeitraum von 30 Jahren)
Wahl zum Stellvertreter des
Bürgermeisters
Verleihung des
Ritterkreuzes 1. Klasse des sächsischen Albrechtsordens, 1914
Ernennung zum
Ehrenbürger der Stadt, 1916
Benennung der
"Oskar-Müller-Straße" in der Kamenzer Innenstadt,
1920
Gestorben am 15. November
1930 in Kamenz
Oben rechts:
Emil Oskar Müller und Ehefrau Therese Erdmute Auguste. Die kolorierte
Aufnahme entstand um 1875.
Rechts:
Die Tuchfabrik "Johann Traugot Müller und Comp.", später "Oskar Müller" in der
Stiftsstraße in Kamenz. Die Aufnahme erfolgte zu
Beginn des
20. Jahrhunderts. Zu sehen sind außerdem die Kamenzer
Marienkirche links und der Rote Turm in der Mitte.
Links: Der
von Oskar Müller der Stadt Kamenz zum 100. Jahrestags
Friedrich Schillers gestiftete
Brunnen. Er bidet den Abschluss der 1905 neu geschaffenen Schillerpromenade.
Darunter:
Übergabe eines Portaits des Ehrenbürgers Emil Oskar
Müller an den Oberbürgermeister der Stadt Kamenz Dantz im
Jahr 2015 durch seine Ururenkel Joachim Richter und Detlef Lippert.
Oben: Einladung zur Kamenzrer Stadtratsssitzung im September 2015.
Worte des Dankes für die Würdigung des Ehrenbürgers
der Stadt Kamenz, Emil Oskar Müller, an die
Mitglieder des Kamenzer Stadtrates
während dessen Sitzung vom 23. September 2015
Sehr
geehrter Herr Oberbürgermeister Dantz, sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,
seit dem 19.
September 1738 ist mit dem Erwerb der Stadtrechte durch den Tuchknappen Christian
Müller aus Lauban die Tuchfabrikantenfamilie Müller in Kamenz vertreten. Der
Ururenkel von Christian, der Kamenzer Stadtrat Emil Oskar Müller, setzte das
Tuchmachergewerbe in 5. Generation fort. Die Gründung der Tuchfabrik ‚Johann
Traugott Müller‘ im Jahr 1866 durch den Vater Emil Oskars markierte eine
Zeitspanne des industriellen Aufstrebens und Aufschwungs der Stadt Kamenz.
30 Jahre Einsatz als
Stadtrat und Förderer der Infrastruktur seiner Heimatstadt zeichnen Emil Oskar
aus. Seine wohltätige Stiftung für mittellose Tuchknappen zeigt sein frühes
soziales Engagement, das uns alle verpflichtet. Heute zählen wir 18 Urenkel von Emil Oskar Müller, darunter die hier anwesende Jutta
Eyßler, geborene Kastner und 23
Ururenkel.
Zitieren möchte ich hier die Worte aus dem Jahr 1916 von Dr. Sigismund anlässlich der
Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Emil Oskar Müller: „Für diese hervorragende
Bürgertreue schuldet Ihnen die Stadt ihren wärmsten, herzlichsten Dank. Wie
könnte die Stadt Kamenz diesem Gefühl, dieser Würdigung und Achtung ihrer Verdienste besseren, schöneren Ausdruck verleihen als dadurch,
dass sie den treuverdienten Bürger in das goldene Buch der Stadtgeschichte aufnimmt
und ihm einen dauernden, unvergänglichen Platz in dieser sichert.“
Für Ihr Engagement bei der heutigen Würdigung unseres Ehrenbürgers und Vorfahren darf ich an Sie, Herr
Oberbürgermeister Dantz und Herr Stadtarchivar Binder, meinen herzlichen Dank im Namen der
Familie aussprechen. Die
soeben eröffnete Ausstellung im Kamenzer Rathaus zu seinem Wirken hat unseren
Erwartungen nicht nur entsprochen, sie hat diese weit übertroffen.
Im Namen der
Familie – Joachim Richter
Der Sächsiche König Friedrich August III. gemeinsam mit Emil
Oskar Müller sowie weiteren Würdenträgern im Anschluss
an die Verleihung des sächsischen Albrechtsordens im Jahr 1914.
Fotoquelle: Detlef Lippert, Kamenz.
Quelle: Stadtarchiv Kamenz, Trauernachricht am 15. November 1930 im Kamenzer Tageblatt.
1) Geschichte der
Tuchmacher in der Lausitz, in 'neues Lausitzsches Magazin', Band 58,
Seite 245; im Auftrag der oberlausitschen Gesellschaft der
Wissenschaften, 1882
2) Geschichte der Obelausitzschen Tuchindustrie, Seite 337, F. Nürnberger, 2007